"Fuck you ... , die rote Sau". Über Nazis in Kochel

Anfang der 1990er Jahre war der Zuwachs bei den Neo-Nazis Thema in gewerkschaftlichen Diskussionen. Ca. 10 Jahre später haben Nazis wieder Versammlungen mit ihren Gruppen im Oberland organisiert. Im Kochler Ortskern wurden zu dieser Zeit Räume für regelmäßige Treffen dieser "feinen Gesellschaft" privat vermietet.

"Fuck you ... , die rote Sau". Über Nazis in Kochel

Anfang der 1990er Jahre war der Zuwachs bei den Neo-Nazis Thema in gewerkschaftlichen Diskussionen. Ca. 10 Jahre später haben Nazis wieder Versammlungen mit ihren Gruppen im Oberland organisiert. Im Kochler Ortskern wurden zu dieser Zeit Räume für regelmäßige Treffen dieser "feinen Gesellschaft" privat vermietet.

Die dort abgehaltenen Feiern waren mitunter so laut, dass darüber auch im Gemeinderat debattiert wurde. Nichtöffentlich. Man (Mann) wollte ja den Vermieter nicht bloßstellen. Ist ja Privateigentum. Was soll man (Mann) da machen?! Die Nazis scheuten sich nicht, im Schaukasten, also öffentlich sichtbar, ein Pamphlet anzubringen, mit dem sie die Ermordung von 6 Millionen jüdischer Mitbürger/innen durch die Faschisten in einen Vergleich mit deutschen Opfern setzten. Dagegen habe ich schriftlich Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft München erstattet.

Am nächsten Tag war die Schundschrift verschwunden. Aber hinter Glas prangte jetzt in großen Lettern, von weitem sichtbar: "Fuck you ..., die rote Sau". Besorgte Freunde riefen mich an und ich verständigte Bürgermeister Englert und die Polizei. Beide wiegelten ab. Das sei nicht so schlimm, man (Mann) könne nichts machen.

Also verfasste ich eine neue Anzeige wegen Rufmords gegen mich (den vollen Text möchte ich nicht wiedergeben). Zu Hilfe kam mir Thies Maßen, der damals bei Radio Alpenwelle war. Er versuchte O-Töne zu bekommen. Leider vergeblich. Alle Passant/innen fanden das Plakat "Fuck you..." furchtbar, aber aussagen wollte keine/r. Sie waren ja auch nicht selbst betroffen. So stand ich öffentlich allein mit dieser unverschämten Anmaßung und bekam das erste Mal ein Gefühl, wie es wohl vor 100 Jahren war. Wer damals denunziert worden ist, konnte sich nicht mittels Laptop, Fax und Telefon an übergeordnete Behörden wenden. Er oder sie waren mit ihrer Schande allein.

Der veröffentliche Schreiben der Neonazis war übrigens juristisch so ausgefeilt, dass das Verfahren eingestellt werden musste. Mit der Anzeige wegen Rufmord erhielt ich jedoch Unterstützung. Ein Rechtsanwalt aus SPD-Kreisen half mir unentgeltlich während des Verfahrens (Akteneinsicht, Antrag auf Schmerzensgeld etc.). Ein Richter beim Amtsgericht Wolfratshausen hatte nach zwei Jahren ein Urteil über den Neo-Nazi zu fällen, der aufgrund der Spurensicherung eindeutig festzustellen war. Der Angeklagte stritt zwar alles ab, aber der Jurist meinte: "Sie können mir viel erzählen, aber ich muss nicht alles glauben." und verhängte gegen den jungen “Herrn” eine Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Der Neo-Nazi-Treff ist nach ca. 9 Monaten von der Polizei geräumt worden. Leider haben in Kochel während diverser Wahlkämpfe immer wieder Nazis versucht, ihre Stände und Parolen zu plazieren. Daraufhin hat der SPD-Ortsverein eigene Kundgebungen organisiert und inzwischen unterstützt von mutigen Bürgerinnen und Bürgern sichtbar dagegen gehalten: "Weg mit dem braunen Müll" - war eine erfolgreiche Aktion, bei der wir die faschistische Propaganda in Mülltonnen entsorgt haben und das braune Gebräu aus den Verstärkern mit Ohrenstöpseln abgewehrt haben.

Der Kochler Ortsverein hat das Verbot der NPD beantragt. In den letzten Jahren sind in Deutschland immer wieder Menschen von Neo-Nazis verfolgt, gedemütigt und sogar ermordet worden (in den vergangenen 20 Jahren mindesten 180 Morde mit rechtsradikalem Hintergrund in Deutschland).

Angesichts der aktuellen Erkenntnisse über das Ansteigen von gewaltbereiten Gruppen werden wir unser soziales Engagement fortführen und verstärkt für das NPD-Verbot eintreten.

Angelica Dullinger / 2013